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Die Marginalisierung der CDU
Jens Spahn hat abgesagt, Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Armin Laschet haben ihre Kandidatur bekanntgegeben: Die CDU will bereits Ende April ihren neuen Vorsitzenden wählen. Doch die Partei wirkt immer noch führungs- und prinzipienlos.
„Wer nicht weiß, nach welchem Hafen er steuern will, kennt keinen günstigen Wind.“ Nach diesem weisen Ausspruch des römischen Dichters und Philosophen Seneca ist das Ziel der Ausgangspunkt für erfolgreiche Steuerung, ob in der Wirtschaft, im Sport oder in der Politik. Strategie wird als Begriff in all diesen Bereichen verwendet. In der Wirtschaft äußert sich der Begriff als Modeerscheinung in der so genannten Unternehmens- und Strategieberatung.
Im Segelsport wird neben einer Wettfahrt-Taktik, die sich während den Wettfahrten etwa durch Windrichtungsänderungen ständig ändert, vor einer Regatta eine Strategie entwickelt. Die CDU landet in Hamburg bei 11 Prozent, das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Dabei gab es dort engagierte Aktivisten wie den PR-Manager Roland Heintze. Der sieht in Berlin den Schuldigen. Und in Thüringen ist die CDU unter ihrem Noch-Vorsitzenden Mike Mohring im permanenten Rechtfertigungsmodus.
Keine Zeit für Grundsatzdebatten
Mohring hat längst nicht mehr das Sagen, hat seinen Rückzug bereits angekündigt. Unter Mario Voigt, Chef der Kommission in den Verhandlungen mit Linken, einer der Stellvertreter und nun Hoffnungsträger, fädelte ein, quasi ohne Machtoptionen mit der Linken zu paktieren. Der Deal wirkt eher unglücklich, da es allein um die Tolerierung einer Minderheitsregierung geht. Mario Voigt hat übrigens bei Eckhard Jesse promoviert, der für die Hufeisentheorie, also die Abgrenzung gegen Rechts- und Linksextremismus steht.
Was meint: Das Prinzip der Äquidistanz geht auf das Grundgesetz mit dem Konzept der streitbaren Demokratie zurück. Es ist so: Unser demokratischer Verfassungsstaat lehnt extremistische Strömungen von rechts und links außen ab. Nun wird die Aufgabe dieser Hufeisentheorie diskutiert, im Grunde auch praktiziert. Offenbar besteht nun keine Zeit für Grundsatzdebatten, stattdessen werden „pragmatische“ Lösungen gefordert.
Linksextremistische Strömungen werden zu selten hinterfragt
Keine Talkshow, in der nicht kritisch die „Äquidistanz“ zu AfD und Linker hinterfragt wurde, keine „heute“-Sendung, in der nicht an die CDU appelliert wurde, Bodo Ramelow zu wählen. Dabei bildete die Abgrenzung von sozialistischen Ideen die vielleicht wichtigste Konstante in der Politik der CDU seit ihrer Gründung vor fast 75 Jahren. Konrad Adenauer sagte etwa im Sommer 1946, ,„mit dem Wort Sozialismus’ gewinnen wir fünf Menschen und zwanzig laufen weg.“ Heute scheint von der Politik mit Werten nichts mehr übrig zu sein.
Dass die dezidiert sozialistische Linkspartei in ihrem Bundestagswahlprogramm 2017 von einer „revolutionären Veränderung der Gesellschaft“, über „offene Grenzen für alle Menschen“ bis zu „einem wirklichen Bruch mit dem Kapitalismus“ zahlreiche Ziele einfordert, die Staat und Gesellschaft in ihrer jetzigen Form beseitigen würden, wird selten thematisiert.
Wer führen will, muss selbst geführt werden
Nach der Wiedervereinigung lehnte die SPD zunächst entschieden eine Zusammenarbeit mit der PDS ab. Dann hieß es, auf Landesebene sei eine Zusammenarbeit zwar möglich, auf Bundesebene wurde sie jedoch ausgeschlossen. Die CDU scheint nun keine Beißhemmung mehr zu haben: Daniel Günther, CDU-Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, wurde nicht müde, Tag für Tag zu erklären, die CDU müsse unbedingt mit der Linken zusammenarbeiten. Die CDU wirkt führungs- wie prinzipienlos.
Protagonisten wie die Noch-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer wirken überfordert. Das gilt für den Generalsekretär Paul Ziemiak, der als Jungstar gefeiert wurde. Ziemiak spricht nach der Hamburger Bürgerschaftswahl von einen „bitteren Tag für die CDU“. Die Beschwichtigungsrhetorik ist nicht mehr aufrechtbar. Fakt ist: Die Bundespartei kann keine Führung vorgeben, da sie selbst keine hat.
AKK und Merkel – zwei „Lame Ducks“
Zwei „Lame Ducks“, Kanzlerin Angela Merkel und CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-bestimmen nach wie vor den Kurs, mögliche Kandidaten, im Zweifelsfall aus Nordrhein-Westfalen, tanzen vor und kämpfen um Gesprächstermine. Der jüngste von den bisher bekannten Kandidaten hat bereits aufgegeben: Jens Spahn tritt nicht an. Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Armin Laschet haben ihren Hut in den Ring geworfen. Friedrich Merz wirkt dabei als der ewige Kandidat, wirkt schon ob seiner widersprüchlichen Aussagen als verbraucht. Im alten Rom gab es den Ausdruck Cunctator, also Zauderer, Zögerer.
Zu glauben, dass man die neue Machtfrage auf einem Parteitag im Dezember entscheiden könnte, war naiv. Deutschland ist in diesem Fall nicht Thüringen, wo offenbar die Rentenansprüche der Angeordneten eine besondere Rolle spielen. Die Wahl des neuen Vorsitzenden auf Ende April vorzulegen, wirkt hingegen getrieben. Die CDU ist nicht mehr Herr ihrer Lage.
Sorgen in stürmischen Zeiten
Ein Prozedere für die Wahl existiert nicht, da der Sturm unvorhergesehen scheint. Die Sorgen sind in stürmischen Zeiten groß, zumal, wenn Ostdeutschland wegzubrechen droht. Historische Dimensionen können beschwört werden, Historisch ist es allemal, wenn die CDU zur Blockpartei und zum Juniorpartner in Opposition zur Linkspartei degradiert wird.
Deutschland hat aber bald europäische Verantwortung, in Form der EU-Ratspräsidentschaft das Management mit dem Brexit und vielen anderen Herausforderungen. Die Europapartei CDU muss sich hier handlungsfähig erweisen, ansonsten droht ihr das Schicksal der SPD. Kein Segeltörn kann sie über die Sommerpause retten. Zu groß sind das interne Grummeln, das Vakuum an Leadership wie der fehlende inhaltliche Kompass. Und das liegt weder an Thüringen noch an Hamburg.
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