Nach den Wahlen in Österreich und Deutschland. Quo vadis?
Meine Analyse
Auszug aus dem katholischen Schweizer Magazin “Doppelpunkt”, Nr. 44/2017, 1. November 2017
“Exklusiv oder inklusiv?”
Nach den Wahlen in Deutschland und Österreich stehen die Gewinner vor der schwierigen Aufgabe der Regierungsbildung. Mit der neuen Ausgangslage kommt das der Quadratur des Kreises gleich. Die Frustwahlen werden in Deutschland und Österreich zu Regierungen führen, die noch mehr Missstimmung auslösen. Wohin führt das? (…) . In den Jahren 2016 und 2017 schlägt quer durch Europa die Stunde der Populisten. Es wirkt fast, also ob Wahlanalysen im Vorfeld und Nachgang darauf reduziert werden, wie stark die Populisten diesmal abschneiden. Immer noch zeigt sich, dass die Bevölkerungen unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise von Herbst und Winter 2015 stehen und Angst vor der Zukunft des Landes haben. Das gilt nicht nur für Osteuropa. Deshalb fanden die Wahlen in Deutschland vom 24. September und in Österreich vom 15. Oktober besondere Beachtung. Beide Länder stehen ökonomisch gut da. (…) Der Wahlerfolg der AfD ist aber nicht, wie viele Beobachter kommentieren, die Wiederkehr des schon mal Dagewesenen. Wer sich in Vergleiche mit der Wahl von 1930 und dem Abschneiden der NSDAP verirrt, erweist sich als geschichtsvergessen. Die AfD ist nicht die Wiederkehr der «Braunen», auch wenn sich viele fragwürdige Gestalten dort tummeln und damit auch im Bundestag. Gleiches gilt für Österreich. Die FPÖ ist ein fester Teil des Systems geworden. Schon im Jahr 2000 wurde die FPÖ in die Regierung eingebunden, was damals noch umstrittene Sanktionen der Nachbarländer mit sich brachte. Mittlerweile ist eine Koalition fast zur Normalität geworden – zumal sich eine dauerhafte Grosse Koalition endgültig überlebt hat. Entsprechend giftig war in Österreich der Wahlkampf. In Deutschland ging es hingegen eher zahm zu, was auch daran lag, dass die Bundeskanzlerin Angela Merkel weiterhin «durchregieren» kann – in welcher Konstellation auch immer. Dass sie durch die Flüchtlingspolitik die AfD stark machte,spielt kaum eine Rolle. Es gab aber einen breiten deutsche Konsens, dass ein «Flüchtlingswahlkampf» nur der AfD nützen
würde. (…) Während in Österreich «exklusiv» oder «inklusiv» gilt, sucht in Deutschland Angela Merkel mühsam einen Kompromiss mit den Liberalen und Grünen. Wie schwierig das realpolitisch ist, zeigen Konflikte von der
Klima bis hin zur Migrationspolitik. Stagnation und somit Frustration sind da programmiert. In Österreich inszeniert sich Sebastian Kurz derweil als Pro-Europäer – paradoxerweise im Verbund mit einer explizit euroskeptischen Partei, für die die EU Kern allen nationalstaatlichen Übels ist. Kann das gut gehen, Populisten zu kopieren, einzubinden oder wie in
Deutschland mit moralistischem Duktus auszugrenzen? Ideologische Reflexhandlungen werden zunehmen – zulasten einer besseren Zukunft.”