So erklärt ein Wissenschaftler den Erfolg der AfD in Ostbayern. Interview mit mir in der Passauer Neuen Presse (Bayernteil)

Warum die AfD in Ostbayern (etwa im Bayerischen Wald) so erfolgreich war und was die Menschen bewegt. Ein Erklärungsversuch im Interview mit der Passauer Neuen Presse

Passau  |  27.09.2017  |  06:06 Uhr

So erklärt ein Wissenschaftler den AfD-Erfolg in Ostbayern



Florian Hartleb − Foto: PNP

 

Florian Hartleb − Foto: PNP

Seit dem Jahr 2000 forscht der gebürtige Passauer Florian Hartleb (38) zu Populismus und Radikalismus. Im April hat er ein Buch zu dem Thema veröffentlicht. Im Interview mit der PNP erklärt er, warum die AfD in Ostbayern auch dort Erfolg hatte, wo es keine Asylbewerber gab, und welche Rolle die Wahlentscheidung vieler Russlanddeutscher gespielt haben könnte.

Herr Hartleb, wie überraschend war für Sie das Wahlergebnis?

Florian Hartleb: Das kam wenig überraschend, denn die Stunde der Populisten schlägt nach wie vor, auch wenn es in Deutschland und in Bayern das Mantra gab, “uns geht es gut und die AfD schwächt sich selbst”. Diese Rhetorik hat offensichtlich nicht verfangen.

Wie erklären Sie sich, dass gerade in Ostbayern die AfD so stark gewesen ist?

Hartleb: Seit längerer Zeit entwickelt sich in Ostbayern schleichend die Sorge, ob die Region nicht abgekoppelt wird – zum Beispiel in Sachen Fortschritt und Digitalisierung. Natürlich gibt es auch Nachwirkungen der Flüchtlingskrise, die vor allem Menschen in den Grenzregionen beschäftigt hat. Aber die AfD hatte in Ostbayern auch dort Erfolg, wo es keine Asylbewerber gab. Denn es sind trotzdem Ängste da – und die CSU hat es erstmals nicht geschafft, mit ihrer optimistischen Botschaft durchzudringen. An Wirtschaftsfragen liegt es nämlich oftmals nicht. Das Thema kulturell-religiöser und regionaler Identität ist viel wahlentscheidender – da fühlen sich die Menschen verunsichert und abgehängt.

Welche Bevölkerungsgruppen haben Ihrer Meinung nach den Populismus in der Region stark gemacht?

Hartleb:  Es wäre völlig falsch, Populisten allein als Modernisierungsverlierer auszumachen. Es sind auch Leute aus der Mittelschicht, die sich vom Abstieg bedroht fühlen. Die sich fragen, welche Jobchancen sie in zehn bis 15 Jahren haben, wenn sie im Bayerischen Wald wohnen bleiben, und wie es mit der Region weitergeht, wenn sie weiter so viele verlassen. Es sind mehrheitlich Männer, die  offener scheinen für  die autoritären Lösungsansätze der AfD.  Und was wir schon aus den Wahlen  vergangenes Jahr in Österreich kennen: Es gibt einen klaren Stadt-Land-Gegensatz. Populisten können in ländlichen Regionen stärker mit ihren einfachen Parolen punkten.  Auch Nichtwähler spielen eine Rolle: Die AfD hat auch in Ostbayern die Wahlbeteiligung ansteigen lassen. Die CSU konnte selbst wenig mobilisieren, weil gar nicht klar war, für welche Koalition sie im Bund steht und mit welchem Personal sie nach Berlin gehen wird. Zudem konnte sie sich in der Flüchtlingsfrage nicht durchsetzen.

Der AfD wird oft auch eine Nähe zu Russlanddeutschen nachgesagt, auch in Ostbayern gibt es Gemeinden mit vielen Russlanddeutschen. Hat  das eine Rolle für das gute Ergebnis der Partei in der Region gespielt?

Hartleb: Einige Kandidaten aus der Region, die jetzt im Bundestag sind, stehen ganz klar dafür, sich Russland anzunähern und die Sanktionen für das Land zu stoppen. Das hat inhaltlich also eine große Rolle gespielt. Außerdem spricht die AfD auch gezielt Russlanddeutsche an: Sie sind oft offener für autoritäre Lösungen und darum fällt die Wähleransprache, etwa in Bad Griesbach oder Pocking, auch dementsprechend aus. Man kann das gute Ergebnis aber nicht allein an den Russlanddeutschen festmachen, die AfD ist ja auch  im Bayerischen Wald stark. Aber es ist sicherlich ein Punkt, warum sie hier in großen Teilen zweitstärkste Kraft geworden ist.

Was bedeutet dieses Wahlergebnis für die Landtagswahl 2019 – werden wir da ein ähnlich gutes Ergebnis für die AfD haben?

Hartleb:  Das war ja der erste CSU-Wahlkampf, der federführend von Andreas Scheuer geleitet wurde, und jetzt muss natürlich hinterfragt werden, ob Horst Seehofer zusammen mit Andreas Scheuer nach diesem Fiasko noch in der Lage sind, den kommenden Landtagswahlkampf erfolgreich zu führen. Scheuer hat ja auch als Direktkandidat viele Stimmen verloren. Allgemein stellt sich die Frage, wie sich die CSU nun personell aufstellt. Die AfD  wird, so wie es derzeit aussieht, in  den nächsten bayerischen Landtag einziehen. Denn die Flüchtlingsthematik bleibt, und die im Bund angestrebte Jamaika-Koalition wird auch für die CSU sehr schwierig werden, weil der jahrelange Hauptfeind an den Stammtischen – die Grünen – plötzlich zum Koalitionspartner wird. Ob es aber jetzt die richtige Strategie ist, einen Rechtsschwenk zu vollziehen, wage ich zu bezweifeln. Denn wenn man die Wahl hat zwischen Kopie und Original, wählt dann man doch meist das Original.

Link: 

http://www.pnp.de/nachrichten/bayern/2670883_Populisten-koennen-auf-dem-Land-staerker-punkten.html